Für Schulen
Geschichte verstehen, Gesellschaft reflektieren: Materialien und Lernangebote zu fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen für den Unterricht.
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen in der Schweiz vor 1981 ist mehr als ein Blick in die Vergangenheit. Sie wirft Fragen auf, die für unsere Gesellschaft bis heute wichtig sind:
- Wie gehen wir mit Menschen um, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen?
- Wer wird von unserer Gesellschaft ausgeschlossen und was sind die Gründe dafür?
- Was können wir heute tun, damit sich das Unrecht nicht wiederholt?
Das Thema bietet für die Schule vielfältige Lernchancen. Schülerinnen und Schüler setzen sich mit gesellschaftlichen Strukturen, mit politischen Entscheidungen und mit Fragen von Gerechtigkeit, Verantwortung und Teilhabe auseinander. Sie lernen dabei, historische Zusammenhänge zu verstehen, eigene Haltungen zu reflektieren und sich mit anderen darüber auszutauschen.
Auch für den fächerübergreifenden Unterricht ist die Thematik gut geeignet. Sie bietet Anknüpfungspunkte zu:
- Geschichte und Politische Bildung: Die Schülerinnen und Schüler erkennen, wie sich gesellschaftliche und politische Systeme verändern und wie Menschen durch Gesetze oder Verwaltungsentscheide betroffen sein können.
- Ethik, Religionen, Gemeinschaft und Philosophie, Psychologie, Pädagogik: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit damaligen und heutigen Werten, Normen, Rollenbildern und Formen der Ausgrenzung auseinander.
- Wirtschaft, Recht, Gesellschaft und Berufskunde: Die Schülerinnen und Schüler verstehen grundlegende rechtliche Strukturen und ihre Bedeutung für den Alltag. Sie reflektieren, wie Recht und Gerechtigkeit zusammenhängen, wie Verantwortung in Unrecht umschlagen kann und wie schwierig die Gratwanderung zwischen Hilfe und Kontrolle ist.
Zugleich fördert die Auseinandersetzung mit dem Thema persönliche, soziale und methodische Kompetenzen. Die Schülerinnen und Schüler können Selbstreflexion, kritisches Denken und einen respektvollen Dialog üben. Sie entwickeln ein Bewusstsein für gesellschaftliche Vielfalt, die Bedeutung demokratischer Werte und gesellschaftlicher Verantwortung.
Empfehlungen
Lern-App «Fürsorge und Zwang»
Die webbasierte Lern-App richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse sowie an alle Interessierten. Im Zentrum stehen die Lebensgeschichten von fünf Menschen, die fürsorgerische Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen erlebt haben. Persönliche Video-Erzählungen, Quellenarbeit und Reflexion vermitteln historische Zusammenhänge. Die Lernenden halten ihre Gedanken in einem digitalen Album fest, tauschen sich aus und erfahren, wie unterschiedlich die Lebensgeschichten sind und wie das erlebte Unrecht bis heute nachwirkt. Die App ist modular, kostenlos und ohne Registrierung nutzbar. Ergänzend gibt es Unterrichtsmaterialien und ein Manual für Lehrpersonen. Die Lern-App wurde von der Pädagogischen Hochschule Luzern, gemeinsam mit den Pädagogischen Hochschulen Waadt und Tessin, dem Verein «Gesichter der Erinnerung» und der Firma Feinheit entwickelt.
VERSORGT, VERDINGT, VERGESSEN? Geschichte(n) von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen in der Schweiz
Die nationale Wanderausstellung «VERSORGT, VERDINGT, VERGESSEN?» beleuchtet die Schweizer Geschichte der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen und ihrer Aufarbeitung und trägt sie in alle Landesregionen. Für Schulklassen der Sekundarstufe I und II gibt es ein geführtes Vermittlungsangebot in Form eines dialogischen Rundgangs. Zudem stehen den Lehrpersonen zur Vor- und Nachbereitung des Ausstellungsbesuches didaktisches Material zur Verfügung.
Online Ideenset «Ausgegrenzt und weggesperrt»
Eine Online-Sammlung von Themendossiers, Dossiers von Zeitzeug:innen, Vertiefungsmaterial und Unterrichtsideen, die Lehrpersonen der Sek I und Sek II Stufe dabei unterstützt, das Thema der «Administrativen Versorgungen» vielseitig und altersgerecht zu behandeln. Das Ideenset wurde von der Unabhängigen Expertenkommision (UEK) Administrative Versorgungen gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Bern entwickelt.
Der Junge – historischer Roman
Von einem Forschungsteam verfasster, fiktiver historischer Roman, zu welchem Unterrichtsmaterialien für den Zyklus 3 der Volksschule sowie für die Mittelschule entwickelt wurden. Der Roman kann für den Deutschunterricht als Klassenlektüre oder im Geschichtsunterricht eingesetzt werden.
Schulbesuche
Das Erzählbistro vermittelt Schulbesuche von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Diese ermöglichen den direkten Austausch zwischen Betroffenen und Schulklassen und damit einen einzigartigen und oftmals emotionalen Zugang zur Thematik. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeuginnen werden durch eine Pädagogin oder einen Pädagogen (Moderation) begleitet. Das Erzählbistro vermittelt auch Besuche im Staatsarchiv Bern in welchem die Lernenden die historischen und politischen Hintergründe der Thematik erarbeiten können.